Zur “Heiligsprechung” von Johannes XXIII. und Johannes Paul II. in Rom

1. Das Vatikanum II. als “Legitimation” einer neuen Epoche. Wenn irgendein politisches, gesellschaftliches oder auch wirtschaftliches System an sich soweit gut funktioniert und dabei für die Allgemeinheit durchaus nennenswerten Nutzen bringt, dann ist es nicht unbedingt klug, es einer radikalen Veränderung zu unterziehen. Dies würde wohl kein kluger Kopf machen. Allenfalls bringt man gelegentlich einige wenige Korrekturen an, um es vielleicht im Hinblick auf die Frage nach dem Erreichen einer noch höheren Wirksamkeit bei der Umsetzung in die Praxis zu verbessern, lässt es aber in seinen Grundstrukturen bestehen. Umso weniger zweifelt man am betreffenden System als solchem bzw. stellt es grundsätzlich in Frage, geschweige denn hebt es sogar gänzlich auf.
Aber wenn dann jemand dennoch diesen letzteren Weg der radikalen Veränderung des bisher gut funktionierenden Systems gehen wollte - unvernünftigerweise! -, wird er sich in der Regel gezwungen fühlen, schon solche Gründe dafür anzuführen, die als sehr ernsthaft und schwerwiegend erscheinen, um seinen neuen bzw. revolutionären Kurs zu rechtfertigen. Denn sonst stellen sich z.B. die betroffenen Bürger, gesellschaftlichen Gruppen oder Firmen die grundsätzliche Frage, wozu denn die ganzen essentiellen Änderungen und Neuerungen bzw. welche eigentlichen Ziele denn der Reformer damit verfolge.
Denn wenn diese Neuerer nicht einmal versuchen würden, wenigstens scheinbar bzw. angeblich schwerwiegende Gründe für ihren Austausch des bewährten Systems durch ihre neu erdachte Theorie anzuführen, würden sie ja sozusagen Gefahr laufen, dass ihre “Reformen” von der Öffentlichkeit mehrheitlich nicht angenommen, sondern gänzlich verworfen werden. Es geht eben um die Frage nach der Legitimation des eigenen geplanten Vorhabens.
Wie wir heute wissen, planten ja auch die modernistisch gesinnten Kreise innerhalb des offiziellen Katholizismus - und zwar schon lange vor 1958 - einen entsprechenden Umsturz des so genannten Grundsystems der katholischen Kirche. Und als dann einer ihrer Gesinnungsgenossen, Angelo Roncalli, im Oktober 1958 den päpstlichen Stuhl bestieg und sich den Namen Johannes XXIII. beilegte, begann er praktisch sofort, vom neuen Geist und einer neuen Ausrichtung in der Kirche zu sprechen. Sein Schlagwort war “Aggiornamento”, unter welchem er die Anpassung an den Geist dieser (irdischen) Welt verstand und damit dann auch die Aufgeschlossenheit für (weitere) Neuerungen aller Art weckte.
Interessant ist, dass er dann sehr bald von seinem Interesse sprach, ein (Allgemeines bzw. Ökumenisches) Konzil einzuberufen. Dies war bei weitem nicht zufällig, sondern lag sowohl in seiner eigenen Logik als auch in der anderer Rädelsführer der geplanten “Reformen”. Man brauchte nämlich eine größtmögliche Autorität, die diese beabsichtigten Neuerungen sozusagen rechtfertigte. Und weil der Angriff auf die Grundfesten der Kirche ein enormer sein und alle Ebenen der Kirche erreichen sollte (was den Verantwortlichen sehr wohl bewusst war!), musste auch eine entsprechende, also möglichst stärkste “Legitimation” dieses neuen Kurses her.
So musste dann neben dem “Papst” unbedingt auch der Episkopat als solcher in diesen Prozess mit eingebunden werden, um alle Elemente des Ordentlichen Lehramtes der neuen “Kirche” auf seine Seite zu ziehen und darauf zu verpflichten. Denn man konnte ja nicht vorab ausschließen, dass Unzufriedenheit bei einzelnen Bischöfen und einem Teil der Priesterschaft entsteht bzw. es dann auch im gläubigen Volk zur Opposition zum neuen Kurs kommt. Wenn sich aber sowohl der “Papst” als auch der Episkopat als solcher dafür aussprechen, dann hat man auch das größtmögliche sogenannte argumentative Druckmittel in der Hand, um jede nennenswerte Gegnerschaft zum neuen “Aggiornamento”-Kurs zu unterdrücken.
Bezeichnenderweise hat Johannes XXIII. das geplante Konzil schon am 25. Januar 1959 angekündigt, also schon drei Monate nach seinem “Papst”-Werden! Es sollte wohl keine Zeit verloren gehen. Zur listigen Logik der “Neuerer” passt auch, dass dieses sogenannte “2. Vatikanische Konzil” offiziell als ein “Pastoralkonzil” einberufen worden ist und auch heute noch so bezeichnet wird. “Während alle Konzilien bisher endgültige Klarheit in Glaubens- und Sittenfragen zu gewinnen suchten und ihre Beschlüsse nach der Bestätigung durch den Papst in das endgültig anerkannte Lehrgut der Kirche eingingen, hat das Vatikanum II eine solche Absicht nicht gehabt. Es hat sich ausdrücklich als ein ‘Pastoralkonzil’ verstanden, d.h. als ein Konzil, das in erster Linie oder ausschließlich zu Seelsorgsfragen Stellung nehmen sollte” 1. Wenigstens offiziell gibt man an, dieses Vatikanum II. sei lediglich ein “Pastoralkonzil”.
Auf diese Weise konnte man auf alle möglichen ernsthaften Einwände gegen die theologische Bedenklichkeit oder sogar die klare Unvereinbarkeit der konkreten Beschlüsse dieser Versammlung mit dem überlieferten Glaubensgut der katholischen Kirche antworten, das alles seien ja keine dogmatisch verpflichtenden Bestimmungen, sondern lediglich Ratschläge und Empfehlungen (für die Seelsorge). Nein, nein, man wolle ja den Glauben gar nicht ändern - es gebe da überhaupt keinen Grund zur Beunruhigung, man müsse da nicht im Geringsten etwas Schlimmes befürchten. Man halte ja nach wie vor am überlieferten Glauben fest. Man habe im “Konzil” halt nur nach Wegen gesucht, um den katholischen Glauben noch wirksamer unter die Menschen zu bringen und sie dafür zu interessieren.
Auf diese Weise sollten alle möglichen konservativen und tatsächlich an der kirchlichen Tradition als der lebendigen Überlieferung des Glauben festhaltenden Kreise in der Kirche beruhigt werden. Nein, nein, es ändere sich nichts, man verfeinere sinngemäß nur das ganze System des Glaubens und der Kirche, damit es halt noch deutlicher und heller glänze. Ja, Papier ist ja bekanntlich geduldig!
Praktisch zur gleichen Zeit bzw. von Anfang an hat man aber bei Bedarf auch so viel Gewicht auf die Beschlüsse dieses “Konzils” gelegt, dass die Weigerung ihrer Annahme als ein Akt des Ungehorsams bezeichnet wurde! Auf alle Gläubigen, die (vergleichsweise wenigen) Priester und (nur einzelnen) Bischöfe, die entweder öffentlich sachliche Kritik am neuen Geist dieses Vatikanums II. äußerten und/oder sich geweigert haben, dessen konkreten Beschlüsse in ihrem Verantwortungsbereich anzuerkennen und umzusetzen, wurde insofern ein großer Druck ausgeübt, dass man (spätestens nach einer Zeit des Übergangs) dazu überging, sie in ihren Intentionen zu diskreditieren und praktisch als Aussätzige zu behandeln. Jedem, der dagegen war, hat man sinngemäß vorgehalten, der Papst und die Bischöfe hätten das alles beschlossen - ob man sich denn für so klug und stolz halte, ihnen und somit der “katholischen Kirche” widersprechen zu wollen!
Dass das Vatikanum II. von seinen Befürwortern sehr wohl als ein sogenanntes dogmatisches Konzil betrachtet worden ist bzw. wird, sieht man auch an der Tatsache, dass alle Priester und priesterliche oder klösterliche Gemeinschaften, die sich als konservativ bezeichnen und sich irgendwann mal zum Anschluss an die aus dem Vatikanum II. heraus entstandene “Kirche” entschlossen haben, sich unbedingt und ohne Wenn und Aber öffentlich zu diesem “Konzil” bekennen müssen! Das hat man am Beispiel der Petrusbruderschaft und anderer analogen Gemeinschaften gesehen, dasselbe wird mit ungemindertem Nachdruck auch für die Piusbruderschaft zur Bedingung ihres beabsichtigten Anschlusses an das neue “Rom” gemacht!
Also ist das Vatikanum II. in der Bewertung durch seine eigenen Urheber und Befürworter keinesfalls lediglich ein “Pastoralkonzil”, sondern wird praktisch unmissverständlich als ein dogmatisches Konzil angesehen. Der Trick mit dessen Bezeichnung als “Pastoralkonzil” diente offensichtlich nur dem Zweck, “besser” auf mögliche (und wohl auch selbst befürchtete) Gegenargumente zu reagieren, damit so wenig wie nur möglich ernsthafte Opposition dagegen aufkommt. Statt dem heutigen Vatikan gegenüber vorzuhalten, man habe das Recht, das Vatikanum II. abzulehnen, weil es ja nur ein so genanntes “Pastoralkonzil” sei (wie es einige Gruppen innerhalb der neuen “Kirche” wenigstens von der Tendenz her tun), sollte man den realen Tatsachen ins Auge schauen bzw. sie unmissverständlich zur Kenntnis nehmen - die verantwortlichen Personen hinter diesem “Konzil” wollten ihre neuen “Reformkurs” sehr wohl unbedingt und rücksichtslos durchsetzen und duldeten bzw. dulden dabei keinen wirklichen Widerspruch. Das verharmlosende Gerede von einem “Pastoralkonzil” diente letztendlich nur dem Zweck der Verdummung des Volkes.
Wer wollte denn heute ernsthaft behaupten, das Vatikanum II. stelle nicht den Beginn einer fundamental-neuen Entwicklung innerhalb des offiziellen Katholizismus dar? “Kurz vor Beendigung des Vatikanum II erhielt das Wort ‘Aggiornamento’ eine neue Bedeutung durch Paul VI. ‘Aggiornamento will von jetzt an sagen: alles klug mit dem Geist des Konzils durchdringen und gewissenhaft die Normen anwenden, die es aufgestellt hat. Wir glauben, dass diese neue Psychologie der Kirche sich in diesem Sinne entwickeln muss.’”2
Nicht umsonst verglich man schon damals den betreffenden neuen Grundkurs fast in Ekstase mit einer neuen Epoche der Kirchengeschichte, ja sogar mit einem “neuen Pfingsten” (!), welches dann auch durch das Vatikanum II. ausgelöst worden sei. Auch heute noch sprechen die Modernisten “mit leuchtenden Augen” von einer Art Zeitenwende, welche von Johannes XXIII. und dem “Konzil” eingeleitet worden sei, wenn sie darauf angesprochen werden.
Hat ja auch der belgische Kardinal Suenens, der einer der vier Konzils-Moderatoren war (zusammen mit den Kardinälen Agagianian, Lercaro und Döpfner) und eine entscheidende Rolle auf dem Vatikanum II. spielte, das Bände sprechende Wort formuliert, wonach dieses “Konzil” “das 1789 der Kirche” sei! Also betrachtete er es in Anlehnung an die Französische Revolution von 1789 ebenfalls als eine Art Revolution, welche die bis dahin vorhandene katholisch-apostolische Ordnung umstürzten und wegfegen sollte, um auf deren Ruinen dann eben möglichst eine ganz neue und vom Zeitgeist “beseelte” Ordnung aufzubauen und dauerhaft zu etablieren! Hier offenbarte also ein führender Modernist selbst, um was es ihm und seinen Parteigängern mit dem “Konzil” wirklich ging! Es sollte herhalten, um den umstürzlerisch-neuen Kurs zu “rechtfertigen” und zu “legitimieren” - wer wagt denn schon, gegen die Autorität eines “Papstes” und eines “Allgemeinen Konzils” vorzugehen?!?
2. Die Bedeutung der jüngsten “Heiligsprechungen” in diesem Zusammenhang. Am 27. April 2014 sprach “Papst Franziskus” in Rom zwei seiner Vorgänger in der “Konzilskirche” “heilig”, nämlich Johannes XXIII. (+1963) und Johannes Paul II. (+2005). Was ist davon zu halten?
Nun, zunächst sei vermerkt, dass der Vorgang, der heute als “Heiligsprechung” bezeichnet wird, sich letztendlich doch wesentlich von einer Heiligsprechung der vorkonziliaren Zeit unterscheidet. Dies kann man allein schon an der Tatsache ablesen, dass seit Karol Wojtyla eine enorme Flut und somit Inflation an “Selig-“ und “Heiligsprechungen” eingesetzt hat. Denn dieser Mann hat während seiner 26,5 Jahre an der Spitze der “Konzilskirche” zahlenmäßig mehr formale Selig- und Heiligsprechungen durchgeführt (482 Personen), als das in der gesamten Kirchengeschichte zuvor von den katholischen Päpsten in einem amtlichen Verfahren (ab ca. dem Jahr 1000) getan wurde, und zwar zusammen genommen! (Bergoglio hat bereits bei der ersten “Heiligsprechung” seines “Pontifikats” in einem Stück 800 Personen “kanonisiert”!)
Diese extreme Inflation bewirkt dann logischerweise auch eine entsprechende Entwertung des Vorgangs und des Stellenwerts einer Kanonisierung im Bewusstsein der Menschen selbst! Denn was auch auf diesem Gebiet (wie auch in vielen anderen Bereichen des Lebens) nicht mehr außergewöhnlich und schwerlich zu erreichen, sondern fast schon alltäglich ist, wird auch nicht mehr entsprechend als etwas Heiliges wertgeschätzt, sondern wandert (wenigstens von der klaren Tendenz her und im Unterbewusstsein der Menschen) in die Kategorie “gewöhnlich” und “allgemein”.
Vor Jahren las ich einmal in einem Buch von einer Privataudienz, die entweder Benedikt XV. oder Pius XI. einem Botschafter eines der europäischen Staaten am Vatikan gegeben hat. Von diesem auf das Thema der Heiligsprechungen angesprochen, hat der betreffende Papst seinem Gesprächspartner eine gerade auf seinem Arbeitstisch liegende Mappe mit einigen Heilig- oder Seligsprechungsakten gegeben. Der Botschafter möge ihm, dem Papst, dann seine Meinung darüber mitteilen. Beim nächsten Treffen meinte dann dieser Botschafter voll Begeisterung, er habe alle Berichte gelesen, alles sei so überzeugend, dass er zum Ergebnis komme, die betreffenden Kandidaten sollten bzw. müssten unbedingt heiliggesprochen werden. Der Papst antwortete darauf, das alles seien abgelehnte Fälle, in welchen die Kandidaten trotz ihrer sonstigen heroischen Leistungen dennoch aus irgendeinem Grund nicht zur Selig- oder Heiligsprechung zugelassen worden sind!
Ja, wer in der wahren katholischen Kirche selig- und heiliggesprochen werden sollte, musste sehr hohe Hürden nehmen - sowohl im Hinblick auf seine unerschütterliche Rechtgläubigkeit (was als erstes verlangt wird!) als auch enorme und kompromisslose sittliche Stärke. Heiligsprechungen waren sehr selten, aber sie hatten Wert, auch weil da ganz genau nachgeschaut und geprüft wurde! Der sogenannte “Advocatus diaboli” (“Anwalt des Teufels”), also ein Priester, der vom Kirchenrecht ausdrücklich für den Kanonisierungsprozess vorgesehen wird, damit er emsig nach den etwaigen Schwachstellen der Kandidaten sucht und sie dann auch konsequent vorbringt, hatte damals noch gewissenhaft seine Pflicht getan und sehr gute Arbeit geleistet!
Vor allem seit Johannes Paul II. wurde und wird in der “Konzilskirche” dagegen von der Tendenz her fast schon jeder “selig-“ und “heiliggesprochen”, der nur irgendwie an (irgendeinen) Gott glaubt. Zum Beispiel die Frage nach der Rechtgläubigkeit, d.h. nach dem unerschütterlichen Festhalten an der katholisch-apostolischen Glaubenstradition, interessiert da offensichtlich überhaupt nicht und niemanden mehr! Es genügt wohl, in diesem Zusammenhang nur die Namen der eindeutigen Modernisten Roncalli und Wojtyla zu nennen...
Mir ist der Fall des Pater Damian de Veuster (1840-1849) bekannt, der sehr aufopferungsvoll, gänzlich selbstlos und geradezu heldenhaft auf einer Insel im Pazifik unter Lepra-Kranken gewirkt und sich dann auch selbst angesteckt hat. Er starb dann an Lepra und irgendwann wurde in Rom (wohl unter einem der Pius-Päpste des 20. Jahrhunderts) sein Seligsprechungsprozess eingeleitet. Nach gewissenhafter Prüfung hat sein Fall schlussendlich doch nicht die hohen kanonischen Hürden geschafft und man stellte ihn ein. Der Grund hierfür: man stellte beim Kandidaten doch auch eine relativ leichte Reizbarkeit des Charakters fest. Unter Johannes Paul II. wurde dieser Fall dann wieder aufgenommen und es kam, wie es wohl kommen musste - zu einer “Seligsprechung” (1995) bzw. “Heiligsprechung” (2009).
Es geht hier nicht um die Kritik an diesem belgischen Ordensmann, der wirklich aufopferungsvoll und heldenhaft sein Leben für seine Brüder hingegeben hat (vgl. Joh 15,13) und uns allen somit wirklich ein nachahmungswürdiges Beispiel der Gottes- und Nächstenliebe gezeigt hat! Wer von uns wollte sich denn mit ihm überhaupt ansatzweise messen?
Nein, es geht hier um die Frage, was genau wir unter dem Begriff “Heiligkeit” verstehen bzw. wie hoch wir sie, die Heiligkeit, ansetzen! Bei der “Konzilskirche” hat man bisweilen wirklich den Eindruck, als verwechsele man dort “Heiligkeit” unbewusst bzw. vertausche sie oft sogar bewusst mit Denkmustern und Verhaltensweisen, die - bestenfalls - zwar sehr wohl vorbildlich und nachahmungswürdig sind, aber dennoch immer noch nicht dem entsprechen, was man bei Kanonisierungen vor 1958 noch wirklich unter “heilig” (!) verstanden hat. Denn wenn “Heiligkeit” nicht mehr den bisherigen sehr hohen Standards entsprechen bzw. nicht mehr das bedeuten soll, was es zuvor immer bedeutet hat (die ungetrübte Widerspiegelung der Heiligkeit Gottes!), dann betreibt man eben auch auf diese Weise den Ausverkauf der Werte! Wie gesagt, wenn Quantität vor Qualität kommt, dann bedeutet dies nur Inflation und Entwertung...
Parallel dazu geht einher, dass das neue Kirchenrecht von 1983 als Voraussetzung für die Selig- und Heiligsprechung jeweils nur ein Wunder verlangt, welches auf die Fürsprache des betreffenden Kandidaten hin gewirkt worden sein muss. Also insgesamt zwei Wunder. Das vorherige Kirchenrecht (von 1917) verlangt dagegen für die Seligsprechung je nach dem Fall 2-4 Wunder und für die Heiligsprechung 2-3 Wunder. Also insgesamt 4-7 Wunder.
Es bedarf wohl keiner langen Auslegung, was es denn bedeutet, wenn die Hürden für eine an sich gute Sache wenigstens auf die Hälfte und schlimmstenfalls sogar auf 2/7 der bisherigen Norm gesenkt werden. Man stelle sich hier vor, was denn die konkreten Folgen des Schrittes wären, wenn z.B. deutsche Universitäten die Wissensanforderungen an ihre Studenten bzw. die deutsche Wirtschaft bei Neueinstellungen auf die Hälfte bis zu 2/7 des bisherigen Niveaus senken würden...
Und welche negativen Folgen (psychologisch und auch seelsorglich) hat es für die Menschen, wenn das an sich am höchsten anzustrebende Ideal, die Heiligkeit nämlich, von ihrer “Kirche” selbst einer solchen “Modernisierung”, spricht Entwertung unterworfen wird, dass nachher nur ein geringer Teil dessen übrig bleibt, was es ursprünglich bedeutet hat? Denn was weniger kostet, ist bekanntlich ja auch weniger wert - eben Inflation und Entwertung!
Ja, könnte man einwenden, aber es werde ja immerhin noch wenigstens jeweils ein echtes Wunder verlangt, was ja auch schon sehr viel bedeute! Nun, wir alle, die wir keine Ärzte sind und v.a. nicht die genauen betreffenden medizinischen Befunde kennen, könne selbst an sich auch nichts Genaues zu jenen echten oder vermeintlichen Wundern sagen. Was wir da können und sollen, ist, den betreffenden Verantwortlichen in der kirchlichen Hierarchie zu vertrauen (oder eben nicht).
Und hier stellt sich dann die entscheidende Frage, ob man denn wirklich ein 100%-iges Vertrauen zu jenen “Hirten” haben kann, die sonst die eindeutige Irrlehre bisweilen sehr willig zu einem anstrebenswerten Ideal uminterpretieren (z.B. Ökumenismus und Religionsfreiheit), so manche christliche Tugend in williger Anpassung an den Zeitgeist als altmodisch und überholt darstellen (z.B. die voreheliche sexuelle Enthaltsamkeit und Verbot von Verhütungsmitteln), schlimme Verirrungen als geradezu gottgewollt präsentieren.
Als man früher wusste, dass Weiß von der Kirche eindeutig als Weiß und Schwarz unmissverständlich als Schwarz bezeichnet werde, konnte man als einfacher Gläubiger oder Priester das entsprechende notwendige Vertrauen in die Hierarchie aufbringen. So konnte man dann auch bei Kanonisierungen davon ausgehen, dass alles mit rechten Dingen zuging. Kann man das bei modernistischen “Hirten” auch, die sonst viel zu oft den Eindruck erwecken, als hätten sie einen Riesenspaß daran, Richtig mit Falsch und Katholisch mit Häretisch zu ersetzen? Wie soll man denn da Leuten vertrauen können, denen man ohne große Schwierigkeiten das Bestreben ansehen kann, wie sehr sie gleichzeitig um die Anerkennung durch die Einflussreichen in den heutigen Medien und der unchristlichen Gesellschaft wetteifern???
3. Entlarvende Statistik. Vielleicht sollten wir uns zum noch besseren Verständnis der betreffenden Zusammenhänge auch die folgende Arithmetik vor Augen führen. Als erster durch eine formale Kanonisierung bestätigter Heiliger gilt in vielen Darstellungen der Bischof Ulrich von Augsburg. Dessen Heiligsprechung soll am 3. Februar 993 von Papst Johannes XV. verkündet worden sein.
Seit dieser Zeit, als nämlich die katholische Kirche zur Praxis einer amtlichen Kanonisierung durch den Papst in Rom überging, gab es (laut Papstliste auf www.kathpedia.com) bis einschließlich Papst Pius XII. 132 offiziell anerkannte Päpste. Die sogenannten Gegenpäpste werden hier logischerweise nicht gezählt. Von diesen 132 Päpsten sind danach nur fünf Päpste heiliggesprochen und acht weitere seliggesprochen worden. Das heißt, den vollen Prozess bis zu einer amtlichen Heiligsprechung haben nur fünf (5) Päpste geschafft. Das ist lediglich eine Quote von 0,0378 Päpsten (3,78%), die die katholische Kirche nach ihren strengen Kriterien zur so genannten vollen bzw. klassischen Ehre der Altäre erhoben hat. Die Quote in Bezug auf die Seligsprechungen als eine Art Zwischenstufe beträgt demnach statistisch nur 0,0984 (9,84%).
Ab 1958 kennt die “Konzilskirche” vier (4) “Päpste”, die bereits gestorben sind und somit theoretisch überhaupt für die Frage nach einer Kanonisierung in Frage kommen. Davon sind nun seit dem 27.04.2014 bereits zwei “heiliggesprochen” worden. Das bedeutet eine Quote von 0,5 (50%). Am 10. Mai 2014 ließ der Vatikan verlauten, dass Paul VI., der das Vatikanum II. fortgeführt, zu seinem traurigen Ende gebracht und dessen unseligen Beschlüsse umgesetzt hat, am 19. Oktober 2014 “seliggesprochen” werde. Das wäre dann eine Rate 3 von 4, die in der “Konzilskirche” seliggesprochen werden - Quote 0,75 (75%).
Ohne ihm Böses unterstellen zu wollen, aber dem armen Joseph Ratzinger wird sich jetzt wohl die Frage aufzwingen - ob er sich dies nun wünscht oder nicht -, wann bzw. wie schnell denn er nach seinem Ableben “selig-“ und “heiliggesprochen” werde. Denn von Johannes Paul I. abgesehen, der nach seiner Wahl nur 33 Tage lebte und somit irgendwie aus der Statistik herausgenommen werden kann, hat dieses Schicksal zum 27.04.2014 nach dieser Rechnung 66% der wenigstens einige Jahre regierenden Vorgänger Ratzingers ereilt, ab dem 19.10.2014 werden es dann sogar volle 100% sein, die wenigstens “seliggesprochen” worden sind!
Diese Zahlen allein zeigen deutlich an, dass die ganze Angelegenheit bei der “Konzilskirche” in der Zwischenzeit zu einer richtigen Lachnummer verkommen ist. Es ist ein Witz und kann im Prinzip nicht im Geringsten ernst genommen werden. Man hat die Selig- und Heiligsprechung als solche praktisch umfunktioniert (auch wenn man dafür noch dieselbe Terminologie benutzt) und sieht sie heute nur als eine Art Auszeichnung für gewisses, aus eigener Sicht vorbildliches Verhalten an. (Darunter “leiden” dann u.a. auch solche Personen, die an sich nach den alten und viel strengeren Kriterien vielleicht sogar wirklich heiliggesprochen werden könnten, so aber zum Instrument in den Händen der Modernisten werden.) Mit eigentlicher Heiligkeit, wie die Kirche das früher immer gesehen hat, hat das wenig zu tun, denn vorbildliches Verhalten legen viele Menschen an den Tag, die bei weitem noch nicht im eigentlichen und strengeren Sinn des Wortes heilig sind!
Irgendwie erinnern mich diese massenweisen Kanonisierungen, und hier v.a. die Quote der “Konzilspäpste”, an eine spöttische Anekdote aus der früheren Sowjetunion. Bekanntlich hat man sich damals im Politbüro massenweise Orden und Medaillen für irgendwelche Verdienste um den Kommunismus und Sozialismus an die Brust geheftet. Nun heißt es, dem langjährigen Parteichef Breschnew werde eine Operation zum Zweck der Brusterweiterung gemacht. Warum? Antwort: Damit es da halt noch mehr Platz für seine zahlreichen Orden und Medaillen gibt!
Interessant ist, dass man jetzt im Fall von Johannes XXIII. zugegeben hat, dass da überhaupt kein offizielles, sogenanntes Wunder vorgelegen habe. Es hieß, es gehe auch so. Also ist man bereit, sogar die eigenen viel geringeren Anforderungen außer Acht zu lassen und die sprichwörtliche Suppe noch weiter zu verwässern, wenn es der eigenen modernistischen Ideologie dient!
4. Was genau führt man da im Schild? Und diese letzte Feststellung zwingt uns dann verstärkt dazu, danach zu fragen, was genau mit dieser inflationären Flut an “Kanonisierungen” von “Konzilspäpsten” bezweckt werden soll, welche eigentlichen Ziele man damit wohl erreicht will. Das Vatikanum II. diente offensichtlich nicht unwesentlich auch dem Zweck, unbedingt die bereits begonnenen und noch weiter geplanten modernistischen “Reformen” durchzusetzen.
In seinem ersten Jahr an der Spitze der “Konzilskirche” hat Bergoglio (bzw. sein Umfeld) bereits viel Staub aufgewirbelt und manche Aussagen (angebliche Gottwohlgefälligkeit der praktizierten Homosexualität, Zulassung von Geschiedenen zur Kommunion, Verharmlosung vorehelicher sexueller Praktiken) getätigt, die erschreckend sind und aufhorchen lassen. Soll nun die hastig durchgeführte “Heiligsprechung” zweier seiner Vorgänger bzw. die für demnächst geplante “Seligsprechung” eines dritten Vorgängers dem Zweck dienen, die Menschen insofern auf weitere nicht unwesentliche “Reformen” vorzubereiten und einzuschwören, dass sie dann möglichst wenig Zweifel an deren Richtigkeit haben?
Wer wollte denn dann der geballten Kraft mehrerer “selig-“ und “heiliggesprochener” “Konzilspäpste” widersprechen, die Bergoglio durch die betreffenden “Kanonisierungen” zu Fürsprechern seiner Pläne macht! Man kann also befürchten, dass die für Oktober 2014 geplante Bischofssynode in Rom so manche entsprechende Weichen für die Zukunft stellen wird - im Namen der “Menschenrechte” und des Weltliberalismus!

P. Eugen Rissling

1 Siebel, Wigand, Katholisch oder konziliar. Die Krise der Kirche heute. Langen Müller 1978, S. 16.

2 Ebd., S. 16. Zitat des Paul VI. aus seiner “Ansprache während der 8. Öffentlichen Sitzung am 18. November 1965, in: Herderkorrespondenz, Heft 1, Jg. 20 (1966), S. 52.”

 

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